Hallo, ihr Lieben,
oh, ICH würde ins Heim gehen! Ich hab mir meins sogar schon ausgesucht - das fiel bei der Mutter-Heim-Suche zufällig mit ab.
Davon gleich mehr.
Jetzt aber, Cerifera: Was ist ein Geronto-Kurs? Wieso bekommt man den finanziert? Ich bin mir nicht sicher, ob es das bei uns gibt?
Ich glaub, für Dich war das ganz richtig, dass Deine Schwiegermutter jetzt im Heim ist, weil sonst alle Verantwortung vor allem an DIR hängenbleiben würde. Und Du hast mit ihr ja deutlich weniger zu tun, als ich mit meiner Mutter.Was sollst Du eine nahezu fremde Frau päppeln, bei dem Dir möglicherweise Schwiegervater auch noch dreinredet? Ich halte die Entscheidung für vernünftig. Halt sie durch! Falls sie heimkommt, und Du aber nicht "sozial-helfend" zur Verfügung steht, muss Schwiegervater genauso viel Geld für Dienste ausgeben, wie jetzt für das Heim. Es sei denn, er honoriert DICH. Was er aber vermutlich nicht tun wird. Schwiegertöchter sind schließlich kostenlos, gell? Also, bleib bloß dabei! Und bei Deiner Argumentation!
Carolyn, ja, Mutter hat Angst vor der Endgültigkeit bekommen.
Ich werde sie auch nicht zwingen. Ich ahne und weiss, wie sehr der Schuss dann nach hinten losgehen kann. Ich will sie ja nicht umbringen und aus der bislang lebensfrohen, wenn auch nervenden Mutter, ein seelisches Wrack machen. Ich achte auch unwahrscheinlich auf ihre Medis, dass sie NICHT ruhiggestellt oder zugedröhnt wird.
Ich hab viel gelernt, in den letzten 6 Jahren, gerade im Umgang mit Arzt/ Medikamenten, was mir auch für mein Alter nützlich sein wird. Vorher werde ich alles aufschreiben und es meinen Vertrauten geben, damit sie mich schützen können, falls ich es selber nicht mehr kann.
Aber ich beschäftige mich jetzt schon mit der Idee, ins Heim zu gehen. Ich vermute, das liegt nahe, wenn man mit einem alten Angehörigen viele Heime besucht, denn ich werde von meinen Jungs und vielleicht künftigen Schwiegertöchtern jedenfalls nicht erwarten, dass sie mich pflegen.
Nun: MEIN ausgesuchtes Heim!
Es liegt zwischen Wald, Tierpark und Botanischem Garten, ein kleiner Ortsteil mit Geschäften ist fußläufig zu erreichen, die Verbindung zur nahen Innenstadt mit Theater, Museen und Konzerthaus ist durch Busse gewährleistet. Es ist ein
Heim-Dorf. Es ist in den 60ziger Jahren gebaut, von daher ist es nicht mehr ganz so flott, aber ich persönlich finde es großartig. Und ich vermute, dass man bald auf die phantastische Idee, die dahintersteckt, wieder zurückkommen wird, spätestens, wenn durch den Generationenwandel ganz viele gescheite Leute alt sind, die ähnliche Ansprüche stellen werden wie ich. Bislang ist es aber im großen Ballungsraum das Einzige dieser Art.
Jetzt, was macht es so besonders? Wie gesagt, es ist ein Heim-Dorf. Über einen großen Park verteilt, stehen 60iger Jahre Häuser, mit je 6 Wohneinheiten, drei unten, drei oben. Die unteren haben Terrasse und - so man will - einen kleinen Garten, die oberen Balkon. Dahinter hat man einen Wohnraum, davon nach rechts oder links abgehend ein Schlafzimmer und ein Bad. Haustiere, inkl. Hunde oder Katzen sind grundsätzlich erlaubt, jedenfalls, solange man die Hunde noch selber ausführen kann, oder man jemanden hat, der das für einen tut.
Wenn man essen will, muss man sich selbst vorwärtsbewegen, nämlich auf den zum Teil recht langen Wegen zum "Restaurant" hin. Das ist etwas ganz anderes, als in einem kleinen Speiseraum auf der Etage abgefüttert zu werden!
Dieses Haupthaus mit den Verwaltungsräumen, den Spielräumen, Gymnastikräumen im Untergeschoss, vermittelt in dem großzügig angelegten Hauptraum, inklusive aller Eingänge und Ausgänge, eindeutig die Atmosphäre eines sehr guten Restaurants, oder zur Nachmittagszeit, die eines feinen Cafe's.
Nicht nur, dass man durch die tiefen Fenster überall ins Grüne guckt und schöne Bilder an den Wänden hängen, es gibt auch noch eine hübsche, freistehende Bühnenempore mit einem Flügel drauf, und wenn da aufgespielt wird, werden ein Teil der Tische umgestellt, damit geschwoft werden kann, wer das denn tun will. In diesem Raum wird auch Weihnachten gefeiert und andere Feste, und ich kann mir vorstellen, dass das für alle in dieser schönen Atmosphäre richtig schön ist.
Wie dem auch sei: Dadurch, dass die Leute zu den Essen laufen müssen (inkl. sich vorher anziehen), spürt man in diesem Heim, dass die Gebrechlichkeit der alten Menschen eindeutig geringer ist, als in vergleichbaren Heimen, z.B. in Hochhäusern.
Dort sieht man die Alten oftmals halbschlafend stundenlang auf dem Flur vor dem Eingang zum Speiseraum sitzen, in Rollstühlen kauernd, halb liegend. Selten hebt sich der erschlaffte Blick, denn sehen tun sie nichts, außer einander.
Kein Kanarienvogel pfeift, kein Aquarium steht da - nichts als grauer Plastikbodenbelag und die geschlossene Tür zum Speisezimmer. Man spürt direkt in der Atmosphäre: diese Menschen haben sich fast gänzlich aufgegeben. Nur noch das Warten auf eine Mahlzeit hält sie zumindest halb am Leben. Ich kann mir vorstellen, dass man da sehr schnell stirbt. Man weiss, man kommt da nie wieder lebend raus, aber WAS in Gottesnamen, sollte einen dort noch auf der Welt halten?
Die Alten im Heimdorf hingegen, saßen im Sommer mit ihren Hausgemeinschaften im Pulk auf Terrassen und grillten.
Und das ist kein Betreutes Wohnen, okay? Es ist wirklich "Heim".
Als ich dieses Heim mit Mutter besichtigte, sagte ich: " Hör mal, hier geh ich hin! Wenn ich nicht mehr alleine kann, dann nehme ich mir ein Zimmer unten, mit Gärtchen, nehm die Hunde mit, werd den ganzen Tag lang zeichnen und malen, und zwischendrin mit meinen Rollator gen Speisesaal schieben! Abends sitz ich dann wieder im Gärtchen und trink meinen Rotwein!"
Natürlich wollte ich Mutter auch in diesem Heim unterbringen, aber ihre Bedürfnisse sind meinen insofern entgegengesetzt, als dass sie alleine überhaupt nicht mehr längere Strecken laufen kann und will.
Für solche Leute - die nicht mehr laufen können - gibt es dann ein besonderes Haus, in diesem Heimdorf.
Es ist neu, und entzückt durch seine innere Architektur. Es ist dreistöckig, ist im Rechteck um ein großes, inneres Atrium gebaut, dieses Atrium ist oben spitzwinkelig verglast. Unten ist es plattiert, da stehen Cafehaustische, zu Springbrunnen und hochrankenden Pflanzen, da kann man auch Kaffeetrinken gehen.
Jetzt aber: Die einzelnen Etagen sind zum Atrium hin offen, die Flure ziehen sich als bewachsene Laubengänge innen entlang.
Wenn man unten im Atrium steht und hochschaut, sieht man über die zwei oberen Etagen, wie sich Alte über das Pflanzen- und Blütenbewachsene Geländer bücken und in rufender, lachender, schwätzender Kommunikation miteinander oder mit den Leuten im Atrium stehen.
Ihre Zimmer gehen alle von den Laubengängen nach außen ab, ihre Fenster blicken nach draussen. Jede Etage hat einen Speiseraum, Fernsehzimmer, Aufenthalts- und Spielraum, dazu einen perfekten "Rundlauf", so dass sich kein Dementer verirren kann. Irgendwann kommt er doch wieder an seinem Zimmer an. Natürlich wird mit den Leuten gebastelt, gemalt, gesungen...
Ich wollte sehr gerne, dass Mutter dahin geht, es ist aber SAUSCHWER, in dieses spezielle Haus zu kommen.
( Dies ist das dritte Heim, in dem sie angemeldet ist, davon habe ich noch nichts erzählt, es gedanklich auch schon wieder gestrichen, weil es nicht klappen wird.)
Wenn jemand nicht mehr laufen kann, stehen für die Sozialarbeiter der Zimmerverteilung natürlich die Menschen, die vorher im Heim in den Einzelhäusern wohnten, an erster Stelle.
Keine Chance für Mutter!
Aber sie findet es eh nicht so toll wie ich. Sie kann die sozialen Möglichkeiten für sich, die allein in der Art der Gebäude stecken, nicht mehr erkennen.
Was für mich hinzukommt ist, dass das Heim relativ kostengünstig ist. Weil der größte Teil der Bausubstanz aus den 60ger Jahren stammt, fallen die Investitionskosten, die bei neuen Heimen extrem ins Geld gehen können, hier sehr niedrig aus.
Wir hatten ohnehin aber vorher schon ein Heim des gleichen Trägers als das bis dato Beste für sie ausgewählt. Da war sie auch in Kurzzeitpflege, und das, wo sie aktuell in Kurzzeitpflege war, gehört auch dazu, liegt aber in einer anderen Stadt, so dass ich anfangs nicht drauf kam ( ist auch nur 12 km von ihrem Wohnort entfernt).
Alle von mir ausgewählten Häuser sind ziemlich alt. Ich hab nämlich die Erfahrung gemacht, dass Mutter von bunter, moderner Architektur abgeschreckt wird. Ein modernes Entree erleichtert ihr das sich "Daheimfühlen", absolut nicht, sondern steht dem im Wege. Hinzukommt, dass die Zimmer in den älteren Häusern größer sind. Wenn Mutter etwas Gediegenes vorfindet, was sie aus ihrer bewussten Zeit in den 60ger, 70ziger, 80ziger Jahren noch gut erinnert, ist ihre Bereitschaft dort zu bleiben deutlich größer, als in einem praktischen Modebau.
Da nimmt sie, wenn sie nur die Fassade sieht, gleich Reissaus.
Und nur, weil Gebäude älter sind, bedeutet es ja nicht, dass die Pflege schlechter ist, gell?
In dem Heim, in dem sie aktuell war, wird auch nicht "auf der Station", oder besser: "im Hinterzimmer" gefüttert.
Mutter musste sich anziehen und mit dem Lift ins große "Restaurant" fahren. Daneben gab es einen Wegweiser zum Frisör, zur Fußpflege und zum Kiosk. Das hat sie extrem genossen!
Das ist in modernen Heimen aber oft nicht mehr so. Diesen großen Restaurantraum, der für Menschen wie meine Mutter extrem wichtig ist, den gibt es da gar nicht mehr. "Füttern" in kleinen Räumen auf der Station ist ja viel einfacher. Die Frisösen in modernen Heimen kommen auf's Zimmer, die Fußpflege auch. Dadurch wird aber ein Stück gesellschaftlicher Rahmen genommen! Es macht doch vielen alten Leuten gerade Spaß, im Wartezimmer des Frisörs oder der Fußpflege zu sitzen und zu tratschen!
Der Träger schneidet jedenfalls in der Beurteilung durch die Kassen in allen drei Heimen mit Gut und Sehr gut ab.
So fühle ich mich in meiner Einschätzung bestätigt.
Lieben Gruß,
Mia