Das ist ja eine tolle Idee von Dir, Nemesia!
Am liebsten würde ich auch mitmachen und Geschichten suchen! Sehr gerne!
Hier nun eine Geschichte, liebe Nemesia, zu der Du mich angeregt hast. Vielleicht ist es auch eher eine "Ungeschichte", glücklich ist sie, bis jetzt, jedenfalls nicht.
Du erzähltest mir von dem Mann, der einen besonders schönen Garten für sich und seine Frau gestalten wollte.
Unter 'schön' fasste er auf: vor allem Unkrautfrei müsse der Garten sein! Gehackt und gewienert, wie geleckt!
In seiner Sorge um Ordnung drehte er jeden Erdkrümel im Garten dreimal um, ohne üppig blühende Resultate zu erzielen.
In seiner neuen Sorge ( warum blüht bei mir so wenig?) , wandte er sich Ende des Jahres an seinen Nachbarn, der viel gelassener mit Unkräutern umging, aber bei es dem grünte und blühte und wuchs, dass alle Engel und Gartenfeen lachten.
Von ihm ließ er sich sagen, dass er seinen Fokus auf das falsche Feld gerichtet habe. Nicht das Ausmerzen von etwas sei wichtig, sondern das Stützen und Stärken einer gesunden Vegetation. Das wollte der Mann sich merken, und es im nächsten Jahr besser machen.
Er wollte nun die lebende Natur besser stützen.
Aber: hier nun die Fortsetzung Deiner erzählten Geschichte, Nemesia. Ich kenne den Mann nämlich! Die Story ist allerdings falsch überliefert, der hat nämlich keinen Nachbarn, sondern eine Nachbarin, und die heißt Mia. Er selbst heißt Herbert.
Die Geschichte ist auch noch nicht abgeschlossen, sie zieht sich tatsächlich über Jahre hin. Vielleicht findet sie irgendwann ein gutes Ende, vielleicht, wenn seine Enkel den Garten bestellen. Bis jetzt sieht es jedenfalls nicht so aus. Eher im Gegenteil.
Also, nach dem ersten Jahr, fragte der Mann die Nachbarin, warum bei ihr alles so schön blühen würde, und sie antworte wie bereits erzählt. Da warf er über die niedrige Hecke einen prüfenden Blick auf ihre Beete und sagte: "Och, das ist ja der reinste Ökogarten!- Ich weiß nicht, ob das meiner Frau gefallen würde? Aber im nächsten Jahr will ich es besser machen!"
Im nächsten Frühling kaufte er viele bunte Blumen beim Gärtner und setzte sie in seine exakt geharkten Beete. Dahlien, Rittersporn und Rosen. Das Jäten des Unkraut war nach wie vor seine Hauptbeschäftigung, schließlich sollte alles ordentlich und sauber aussehen! Er bemühte sich, jedes unwillkommene Hälmchen auszuzupfen, aber leider hatten sich in seinem Rasen Klee und Vogelmiere breit gemacht. Und weil er diese Pflanzen dort nicht komplett herausbekam, kaufte er erstmal eine Flasche Gift gegen Unkräuter, die er großzügig in seinem Garten verteilte.
Mitte des Jahres stand Herbert wieder an der kleinen Hecke. "Sagen Sie, Frau Nachbarin, haben Sie auch so viele Probleme mit Ungeziefer? Meine ganzen Blumen sind voller Blattläuse! Die Dahlien und die Rosen! Und den Rittersporn und die Dahlien fressen die Schnecken! So ein Ekelzeug! Ich habe bereits Gift gegen Insekten gekauft und es versprüht. Viel ist dabei aber nicht rausgekommen. Sprühe ich links, tauchen sie rechts wieder auf!
Aber schauen Sie, Frau Nachbarin, das wollte ich Ihnen zeigen: Ich habe ein Kartoffelbeet angelegt! Da war schon immer eins! Bis letztes Jahr, als mein Vater den Gemüsegarten noch pflegte. Ich freue mich schon auf unsere schönen Kartoffeln!"
Die Nachbarin Mia schüttelte sanft den Kopf. Sie wollte ihn nicht belehren. Aber sie meinte: "Mit Ihren Giften rotten Sie die letzten Nützlinge aus, Herr Herbert! Was wir brauchen sind Marienkäfer, Marienkäferlarven und Florfliegen! Die vertilgen die ganzen Blattläuse! Ich hatte dieses Frühjahr nur einen einzigen Marienkäfer in meinem kleinen Garten, ich habe mich schon gewundert. Und den habe ich dann von Rose zu Rose getragen, damit er da fressen konnte. Obwohl, viele Blattläuse hatte ich nicht. Irgendwann ist er wohl fortgeflogen, weil nicht mehr satt wurde. Hoffentlich."
"Sie machen Sachen!", sagte Herr Herbert. "Marienkäfer rumtragen! Das habe ich ja noch nie gehört! - Naja, Spinner gibt es viele. Damit meine ich nicht Sie persönlich, Frau Nachbarin."
Ende des Jahres beugte sich Herbert wieder gesprächssuchend über die kleine Hecke. "Schauen Sie sich das an, Frau Nachbarin! Meine Kartoffeln! Alle voller Faulstellen und voller Fraßgänge! Wir können keine einzige essen! Dazu habe ich diese Tiere gefunden, die wohl den Schaden verursacht haben!"
Er reichte ein Marmeldenglas mit gelben, sich kringelnden Würmern herüber.
"Das sind Drahtwürmer, Herr Herbert. Sicher haben Sie auch schwarze Käfer gesehen?"
"Ja, was haben die damit zu tun?"
"Das sind sozusagen die Eltern. Insekten machen verschiedene Entwicklungsstadien durch. Also, die schwarzen Käfer legen Eier, aus denen schlüpfen dann die gelben Drahtwürmer, die futtern die Kartoffeln, dann verpuppen sie sich, und aus denen werden wieder schwarze Käfer."
"Teufelszeug!" brummte Herr Herbert. "Gift!", fügte er schnaubend hinzu. "Ich werde sie alle vergiften!"
"Hat wenig Sinn, Herr Herbert, so lange sie auf diesem Beet weiterhin Kartoffeln anbauen wollen", meinte die Nachbarin Mia. "Sie sollten den Standort des Beetes wechseln! Tagetespflanzungen sollen übrigens auch gegen Drahtwürmer helfen."
Wunderbar!" rief der Nachbar Herbert. "Ich nehme die Tagetes! Dann brauche ich kein Gift zu kaufen. Sie, Frau Nachbarin, haben sicherlich noch Samen? Ich sah ja so viele Tagetes in Ihren Beeten?"
"Habe ich", erklärte die Nachbarin. "Sie können sie alle haben."
Der Winter verging, ein neues Jahr brach an. Der Februar neigte sich dem Ende zu, da sah man den Nachbarn Herbert in seinem Garten wieder fleissig wuseln, zupfen und hacken. Diesmal beugte sich Mia über die niedrige Hecke.
"Was machen Sie denn da, Herr Nachbar?"
"Ich säe Tagetes!"
"Ende Februar? -Die werden Ihnen alle erfrieren!"
"Papperlapapp! Der frühe Vogel fängt den Wurm! - Übrigens habe ich mit Ihnen noch ein Hühnchen zu rupfen!"
Mia: "Warum?"
Herr Herbert: "Ich wollte es ja letztes Jahr nicht laut sagen, aber Nachbarn haben sich beschwert. Was war das für ein Zeug, was da neben ihrer Haustürtreppe wuchs? Dieses hohe?"
"Chenopedium giganteum, der Riesengänsefuß", antwortete Mia.
Herr Herbert: "Genau, um den geht es! Der hat so unendlich viele Samen. Ich rupfe das Zeug klein aus, sobald ich seiner im Garten ansichtig werde! Und Sie verpesten mit Ihren Samen meinen Grund und Boden! Das ist doch ein Unkraut, nicht wahr?"
Mia: "Tjo, meinetwegen ist es ein Unkraut, aber es wächst hoch und grün, man kann die Blätter essen wie Spinat und die Samen kann man rösten."
"Ach so", fügte Nachbar Herbert mit bösem Lächeln hinzu: "Sie essen also Unkraut, Frau Nachbarin? - Haben Sie nichts Besseres? Wir persönlich kaufen unser Gemüse im Supermarkt! Und nun zu der Kritik. Herr Müller von hinten meinte: 'Bei der neuen Nachbarin wächst das Unkraut ja schon meterhoch!' So kann das nicht weitergehen! Ich erwarte von Ihnen, dass Sie meinen Garten, und die Gärten der umliegenden Nachbarn nicht mit Ihrem Unkraut infizieren! Wir sind hier ordentliche Leute!- Guten Tag."
Der Nachbarin Mia blieb zunächst die Spucke weg, so überrascht war sie.
Dann hakte sie die Bemerkungen ab. 'Armleuchter!' dachte sie.
Das nächste Jahr brach herein.
Herr Herbert war im Frühjahr sehr guter Dinge. Er rupfte und wuselte auch nicht mehr. Über die Hecke teilte er Mia mit, dass sich nun alles ändern würde. Er würde einen perfekten Garten kriegen! Er hatte eine Gartenbaufirma bestellt!
Die kam alsbald. Mit kleinem Bagger. Und Motorsägen. Drei alte Apfelbäume (Herbert: "Waren die letzten Jahre alle wurmstichig, die Äpfel") wurden abgesägt und ausgemacht. Fünf ältere Tannen wurden gefällt und deren Wurzelwerk ebenfalls ausgemacht. Dann begann der Bagger großflächig alles lebende Grün des Gartenbodens abzutragen. Mit anderen Maschinen wurde plattiert. Auf den ebenen Boden wurde nun eine Kunststofffolie ausgelegt. Darauf kamen Kiesel diverser Größen und Sortierungen. Ein hübscher, gepflasterter Weg zieht sich jetzt von Herberts Terrasse bis zu seinem hinteren Gartentörchen. In die absichtlichen Löcher im Kies und in der Folie wurden hohe Gräser gepflanzt, die garantiert keine Blattläuse anziehen.
Herr Herbert ist nun glücklich.
Für seine Frau hat er diverse Plastikkübel gekauft, in die immer neue- jahreszeitlich passende- Blumen vom Gartencenter reinkommen. Und taugen die nicht mehr, sind sie abgeblüht, wandern sie in die grüne Tonne.
Ganz einfach!
Mein Fazit: Es muss noch deutlich mehr an Aufklärung und/oder Gesetzen geschehen, damit Menschen ihren bisher weitverbreiteten Fokus - auf Ausrottung der Natur - ändern können!
Diese Steinflächen auf Kunststoff, die es inzwischen überall in unseren Gärten gibt, sind für die Natur, die Vögel, die Insekten, die Hölle!
Lieben Gruß
Mia