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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von tanteberta » Fr Sep 24, 2010 15:37

Ihr Lieben,
jetzt schalt ich mich mal ein sozusagen als Vertreterin der ungenannten Zugreifenden - das liest sich wirklich spannend, eigentlich könnt Ihrs mit ein paar Abstrichen vielleicht als Buch rausbringen. So viele interessante Gedanken über ganz zentrale Punkte, und so liebevolle dazu. Lachen mußte ich aber dann doch ganz doll, als ich zwischendurch auf die Überschrift schaute: eine Art Riesenbovist ist da schon angesiedelt worden, nehmt mirs bitte bitte nicht übel...
Macht weiter! Und die Märchenschiene find ich außerordentlich erhellend!
Herzlich Eure tanteberta

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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Carolyn » Fr Sep 24, 2010 16:04

tanteberta hat geschrieben:Ihr Lieben,
jetzt schalt ich mich mal ein sozusagen als Vertreterin der ungenannten Zugreifenden - das liest sich wirklich spannend, eigentlich könnt Ihrs mit ein paar Abstrichen vielleicht als Buch rausbringen. So viele interessante Gedanken über ganz zentrale Punkte, und so liebevolle dazu. Lachen mußte ich aber dann doch ganz doll, als ich zwischendurch auf die Überschrift schaute: eine Art Riesenbovist ist da schon angesiedelt worden, nehmt mirs bitte bitte nicht übel...
Macht weiter! Und die Märchenschiene find ich außerordentlich erhellend!
Herzlich Eure tanteberta
Na, dann wäre der Threadtitel ja auch gleich ein passender Buchtitel, oder? :lol: Die sind ja oft so "treffend". :mrgreen:
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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Mia » Fr Sep 24, 2010 21:21

Hallo ihr Lieben, liebe tantberta. :smile:

witzig, wie sich die Einschätzungen gleichen! Ich wollte gestern auch schon etwas zu dem Titel schreiben, nach dem Motto: Also, wer den liest, und oben neugierig anfängt, wird sich ganz schön wundern, was in diesem langen Thread alles drinsteht! Von Pilzen keine Spur! - Meine Güte, welche Art Riesenbovist haben wir hier nur angesiedelt???

Carolyn, das wäre garantiert KEIN guter Buchtitel! Was sollten sich die Leute denn dazu denken?
Aber Du, Tanteberta kannst ja schon mal anfangen zu redigieren, und uns zu sagen, welche Seiten und Stellen wir nehmen sollen! - Dann geht das mit der Veröffentlichung schneller! :wink:


Liebe Liz,

meine Güte, das ist ja eine schreckliche Geschichte mit Deiner Schwiegermutter! Das Irre ist nur immer wieder, dass die so schlecht behandelten Töchter ihre Eltern trotzdem lieben, und trotz aller Missachtung die sie erfahren, bereit sind, viel für sie zu tun. Ich bin ihr nicht böse, ich trag ihr nichts nach, sie ist einfach wie sie ist. Ich bin sehr froh, sie in den letzten Jahren erkannt zu haben, das reicht mir. Dadurch habe ich auch was von mir verstanden und Dinge über mich erkannt. Zum Beispiel, wie sehr ich am Anfang der Pflege noch ihrer Zuneigung hinterher gelaufen bin, in der Hoffnung, wenn ich viel für sie täte, doch noch ein Stück Mutterliebe, Achtung und Zuneigung zu bekommen, Dinge, die man sich als Kind von der Mutter erhofft.
Es hat schon ein paar Jahre gedauert, bis ich sie so abgeklärt sehe wie heute, und ich begriff: das mit der Liebe von ihr zu mir ist damals nix geworden, das wird heute auch nichts mehr.

Seitdem kann ich mich ganz gut abgrenzen. Und seitdem steht für mich auch fest:
ICH werde sie nicht zu mir nehmen und niemals eine Wohnung mit ihr teilen. Soweit geht die Aufopferung nicht.
EIN Pflegetag in der Woche reicht mir, mehr bekommt sie nicht mehr.

Und dabei bemüht sie sich doch so! Gerne mit dicken Lügen, die ihr problemlos über die Lippen gehen, wie der verkleideten Schneewittchenstiefmutter.

Telefon, 15 Uhr: " Mia! Du musst sofort kommen! Ich bin gefallen! Auf den Finger! Hach, mir geht es sooo schlecht!" - "Mutti, ich bin kein Arzt, ich kann dir da auch nicht helfen. Nimm dir ein Taxi und fahr zu Dr. Ortzis. Du hast es ja frei. Da muss ich nicht noch 120 km hin und zurück durch die Gegend kurven!"

Telefon, 15.10 Uhr. Ich gehe nicht ran, höre nur den AB ab: " Hier Caritas Sozialstation. Ihre Mutter hat eben angerufen. Sie sagt, sie sei gefallen, auf das Knie. Sie sagt, sie müsse dringend zum Röntgen. Wollen Sie nicht kommen und sie dort hin bringen?"

Telefon, 15.20 Uhr, die Nummer kenne ich nicht. "Ja, hallo?" - " Hallo! Mein Name ist Brinkmann," sagt eine nette Frauenstimme. " Mich ruft seit ein paar Tagen eine Frau J. an, die immer erst meint, ich sei ihre Tochter. Ich habe herausgefunden, dass sie sich bei der Vorwahl um eine Stelle verwählt, deshalb kann ich Sie jetzt kontaktieren.
Ihre Mutter- das ist doch Ihre Mutter? - hat gesagt, sie habe so schreckliche Herzschmerzen und müsse dringend ins Krankenhaus! Da wollte ich Sie doch mal fragen, ob Sie sie nicht da hin bringen wollen?"
"Ach, die Herzschmerzgeschichte ist alt", sage ich. "Letzte Woche hat Mutter bei der WAZ angerufen, weil sie einen Tag keine Zeitung hatte. Sie hat dann der Telefonfrau so elend etwas vorgeweint, wie schlecht es ihr ginge, dass die prompt einen Notarztwagen bestellte. Darauf hin rief mich eine Ärztin aus dem Krankenhaus an, was sie mit Mutter machen solle, die hätte nix am Herzen. Wissen Sie, meine Mutter macht das immer so. Sie fährt auch mit dem Taxi einkaufen, stellt sich dann mit ihren Tüten an die Straße und weint zum Herzerweichen, sie sei ganz allein, niemand würde sich um sie kümmern, sie könne die Tüten nicht tragen, weil sie außerdem nicht laufen kann, bis ihr jemand Mitleidiger Gehör schenkt und sie nach Hause bringt. Das macht sie aber nur, um das Taxi zu sparen, denn Fahrten zum Einkaufen bezahlt die Krankenkasse nicht.
Also, haben Sie keine Sorgen! Mutter müsste auch gar nicht einkaufen gehen! Den Großeinkauf für eine Woche mache ich mit ihr.
Ferner hat sie morgens einen sozialen Pflegedienst, der sie wäscht und anzieht, um 11 und um 17 Uhr kommt je für eine Stunde ein private Pflegerin, die alles notwendige für sie macht. Mittags bekommt sie Essen auf Rädern von der teuersten Firma am Ort, sie hat weiterhin einen Gärtner und eine Putzfrau. Aber zwischen 13 und 17 Uhr hat sie natürlich oft Langeweile! Und das sind die Zeiten, da wird sie täglich schwer krank."


Telefon, 15.40 Uhr, ich höre den AB ab: "Huhu! Hier ist Andrea! ( das ist Mutters private Pflegerin.) Deine Mutter hat mich eben angerufen! Sie sagt, sie sei gefallen, auf die Hüfte! Sie müsse sofort ins Krankenhaus zum Röntgen! - Ich fahr sie da jetzt mal hin, okay?"
Ich versuche Andrea auf Handy zu erreichen, aber sie geht nicht dran. Ist ja auch klar. Sie verdient mehr, wenn sie mit Mutter ins Krankenhaus fährt.... selbst wenn sie ihre Storys inzwischen kennt.

Telefon, 17 Uhr, ich höre den AB ab: "HIER IST DEINE MUTTER! - RUFE SOFORT ZURÜCK! Ich bin sooo schwer gefallen! Ich musste ins Krankenhaus zum Röntgen! Mir fehlt nichts, wurde festgestellt, aber ALLE waren sooo nett zu mir! Andrea ist jetzt schon wieder nach Hause gegangen, nun bin ich wieder alleine.
Ich bin aber nicht ganz zufrieden, Mia. Ich habe das Gefühl, die Ärzte haben etwas übersehen.--- Kannst du nicht kommen?"

Telefon, 17.30 Uhr, ich hebe den Hörer ab: "Mia! Du musst sofort kommen! Ich habe kein Brot mehr! Buhuu! Wenn du nicht kommst und mir welches bringst, muss ich verhungern!" "Mutti, ich habe dir letzte Woche 4 halbe Brote eingefroren, eins davon wird noch da sei." - " Nein! Buhuuh!" - "Tja, dann musst du heute abend und morgen früh eben Haferflocken essen. Um 11 kommt deine Pflegerin, die kann dir dann ein Brot kaufen."


Ich meine, mir bricht immer wieder das Herz, wenn ich sie so klagen höre, aber ich weiss inzwischen, dass es Show ist. Wenn ich dann meinen Tag abbräche, und hinfahren würde, würd sie mir freudig entgegenhüpfen, sich freudig ihre besten Schuhe greifen: "Fein, dass du da bist, Mia! Dann können wir ja jetzt gut und lecker essen gehen! Ich hatte ans Hinrichs gedacht? Komm, ich lad dich ein! Soll ich die Perlenkette tragen oder lieber die Goldkette? Ich nehme den rosa Schal, reich mir den mal! Bin ich auch gut gekämmt? Kämm mich mal! Soll ich noch etwas Bräune auflegen?
Und dann, an der nächsten Ampelkreuzung, würde kommen: "Die Ampel vor mir ist grün. Die Ampel da vorne rechts ist auch grün! Die Ampel links ist ebenfalls grün! --- ALLE fahren! Nur DU nicht! - Wenn DU weiterhin so TRÖDELST, werde ICH ZU SPÄT ZUM ABENDESSEN KOMMEN und nur noch RESTE kriegen!"


Für heute einen lieben Gruß,
Mia
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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Cerifera » Sa Sep 25, 2010 01:40

Das erinnert mich sehr stark an die Geschichte vom Jungen der immer schreit "Hilfe ein Wolf..." und irgendwann glaubt ihm das keiner mehr selbst wenns wirklich passiert :???:

Aber ich denke nicht, dass das reine Boshaftigkeit und Schikane ist. Es ist einfach Demenz. Wenn sich Menschen nicht mal mehr merken können wem sie welche Geschichte erzählt haben, obs nun der Finger war oder die Hüfte oder doch was andres. Schrecklich, dass es dann immer so hilfsbereite Menschen gibt die darauf reinfallen.

Lass mich raten das Brot war noch im Gefrierschrank :lorl:

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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Carolyn » Sa Sep 25, 2010 18:03

Ja, das hört sich für mich nach einer Demenz-Erkrankung an, sofern es nicht wirklich nur eine gezielte Show ist, um im Mittelpunkt zu stehen und Aufmerksamkeit zu bekommen. Wurde sie daraufhin mal untersucht, Mia? Storys dieser Art kenne ich sehr gut von (der Mutter) meiner besten Freundin, die inzwischen in einem Heim lebt und kaum noch etwas von ihrer Umwelt mitbekommt. :???:
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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Mia » So Sep 26, 2010 03:22

Hallo Ihr! :smile:
Liz hat geschrieben:Das erinnert mich sehr stark an die Geschichte vom Jungen der immer schreit "Hilfe ein Wolf..." und irgendwann glaubt ihm das keiner mehr selbst wenns wirklich passiert
Diese Angst teilte ich mit allen, die Mutter kennen. Aber dafür ist ja schon geraume Zeit jetzt 3x täglich ein Dienst da.
Falls des nachts Probleme auftauchen, oder sie (auch tagsüber) fällt, hat sie einen Piepser um den Hals, sobald sie draufdrückt, rücken die Leute aus. Und die Dienste sind in der Nähe! Die sind innerhalb von 15 Minuten da. Ich wohn' 60 km entfernt! Gut, nachts käme ich in einer dreiviertel Stunde hin, tagsüber brauche ich für die Strecke durch das verstopfte Ruhrgebiet tendenziell anderthalb.
Carolyn hat geschrieben:Ja, das hört sich für mich nach einer Demenz-Erkrankung an, sofern es nicht wirklich nur eine gezielte Show ist,
Carolyn, es ist beides. Früher war es nur Show, damit Leute springen, jetzt kommt noch die Demenz obendrauf.

Liz, dass mit dem Fallen, und Mutter scheinbar nicht mehr wusste auf welches Körperteil, das kommt immer, wenn sie aktuell gar nicht gefallen ist. Sie hat sich dann vor Tagen vielleicht mal an der Hand gestoßen, auf einmal fällt ihr das wieder ein. Das könnte doch eine Möglichkeit sein, die aktuelle Langeweile zu vertreiben? Vielleicht ist ja auch wirklich was am Finger? Also fängt sie mit dem Finger an. Muss sie sagen "gestoßen"? Nein, "fallen" klingt besser. Regiert keiner, wird der Sturz schlimmer. Nun ist es erst das Knie, und dann die Hüfte. Und wenn man dann einen Nachmittag im Krankenhaus war, hatte man einen Nachmittag zumindest was zu tun! Das ist besser als fernsehen!
Dann kann man der Freundin später am Telefon was erzählen, also, man hat auch noch für privaten Gesprächsstoff gesorgt!

Gut sind auch immer Herzschmerzen, um Leute aufzuscheuchen. Das habe ich oben vergessen zu erwähnen, dass sie die Frau von der WAZ mit "Herzschmerzen" zum Herbeirufen des Notarztwagens brachte. Und als sie dann im Krankenhaus war, war nix, okay?

Ich hab Mutter früher ALLES geglaubt, und Ihr ahnt nicht, wie oft ich vergeblich hingefahren bin.
Ich hab die "arme" Frau fast zum Klo getragen, und die Vordertreppe herunter zum Auto, weil sie ja sooo schlecht laufen kann, bis mich einmal ein alte Nachbarin beiseite nahm: "Sag mal, Mia, was machst du eigentlich immer mit deiner Mutter auf der Treppe?" - Na, sie kann doch nicht laufen, Anne!" - "DIE kann nicht laufen? Was meinst du, wie gut die laufen kann, wenn du nicht da bist! Die kommt aber mit Bravour alleine die Treppen rauf und runter!"
Die Anne erzählte mir dann auch die Sache mit den Einkäufen, die ich vorher nicht wusste. Dass sich Mutter weinend auf den Bürgersteig stellt, um Leute zu animieren, sie nach Hause zu bringen. "Mir hat sie auch einen vorgeweint, Mia! Aber ich hab ihr gesagt, Ich würde nicht meinen Schwiegersohn anrufen, damit er kommt und sie nach Hause bringt! Frank ist doch kein Taxiunternehmen! - Und ich sehe ja auch, dass DU immer mit ihr losfährst zum Einkaufen, und wieviele Leute bei ihr ein- und ausgehen. Die braucht doch gar nicht einkaufen gehen, und da so eine Show abziehen!"

Direkt süß war Mutters Auftritt, bei der Begutachtung des Arztes vom MDK zur ersten Pflegestufe.

Sie hat irgendwann vor Jahren mal so einen kleinen Gummiring in eine Herzarterie eingesetzt bekommen, zur besseren Durchblutung, ein sogenanntes Stent. Das war nicht unbedingt nötig, aber man wusste nichts mit ihr im Krankenhaus anzufangen, als sie nun einmal da war und über soooo gewaltige Herzschmerzen klagte. Und so einen Stent kann man ja mal vorbeugend leicht setzen. Der wird mit einer Kanüle über die Leiste eingeführt, okay?

( Mit diesem Krankenhaus, das war auch wieder so eine Geschichte, davon vielleicht später mehr.)
Jedenfalls, vor einem solchen Eingriff, bekommt man ein hektografiertes, engbeschriebenes Blatt, in dem auf mögliche Nachwirkungen und Komplikationen hingewiesen wird. Das muss man dann unterschreiben. So, das hat sie gemacht, es ging auch alles gut, aber nun hatte sie ja dieses Blatt. Daheim nahm sie es sich vor, zur fleissigen Lektüre.
Und siehe da, es verging nicht EIN Tag, an dem Mutter nicht eine neue Komplikation oder nachträgliche Nebenwirkung an sich wahrnahm. Jeweils begleitet von zig aufgeregten Anrufen bei mir oder bei ihrem Hausarzt.

Ich weiss nicht mehr, WAS da im Einzelnen auf dem Blatt alles draufstand, und an was allem Mutter in Folge dann erkrankte, unter anderem aber: falls man Diabetiker sei und dies oder das Medi nicht vorher abgesetzt habe, könne das eingesetzte Kontrastmittel zu späteren Nierenschädigungen führen.
Nun war bei ihr eine leichte Diabetes diagnostiziert, und sie wusste nicht, ob das Krankenhaus die entsprechenden Tabletten rechtzeitig abgesetzt hatte. Sie war nun angstvoll fest überzeugt, jetzt einen schweren Nierenschaden zu haben.
Mich hat sie mit ihren Ängsten so erschüttert, dass ich kurzfristig Termine mit ihr in dem Krankenhaus und bei dem Hausarzt machte, um die Sachen zu erfragen. - Es war alles negativ.

Mutter hatte aber nicht ganz unrecht, mit den schlechten Nierenwerten, die hatte sie aber schon vorher, einfach, weil sie, wie viele alte Leute, zu wenig trinkt.
Übrigens: Wenn ich und die Pflegerinnen sie dahingehend beeinflussen können, mehr zu trinken, zieht sich die Demenz proportional zurück. Mit guter Nässe versorgt, funktioniert das Gehirn gleich viel besser!

Jedenfalls, es kam nun der Arzt vom MDK, um zu prüfen, ob Mutter die erste Pflegestufe verdiene.
Mutter schob dann auch brav am Rollator durch die Wohnung, stellte sich dumm an, wenn es darum ging, einen Kaffee zu kochen ( das kann sie inzwischen wirklich nicht mehr), konnte die Arme nicht mehr über den Kopf heben, etc.
Dann wurde sie zu ihrem Gesundheitszustand befragt, und dann kam's, es war so genial!

"Ich habe vor einigen Jahren einen Stent gesetzt bekommen," erklärte sie dem Arzt, " und nun schauen Sie sich dieses Blatt an," den hektografierten Aufklärungszettel vorweisend. "Hier steht genau, was ich alles habe! Ich habe dies, ich habe jenes, aber das Schlimmste ist: man hat mir heimlich durch die Leiste eine Niere entfernt, weil sie nach dem Kontrastmittel nicht mehr funktionierte! Buhuuu!" Mutter brach in gezielte Tränen aus. " Haaahuuh! Huuuhuuuh! - Es ist ja soooo schwer, nur noch mit einer Niere zu leben!"

Der vielleicht 40 jährige Arzt mit dem guten, offenen Gesicht, erkannte natürlich dieses Formular, auch bei ihm stiegen Tränen auf, es waren aber Lachtränen.
Ich sah, wie sich seine vorher ernste Mimik einen Ausdruck annahm, der sich nur schwer verbergen liess.
Er VERSUCHTE ja, das Lachen zurückzuhalten, dennoch bogen sich seine Mundwinkel bis zu den Ohren. Er VERSUCHTE , seine Augen ernst blicken zu lassen, seine Stirn ruhig zu halten - Alte Leute muss man in ihren Sorgen doch annehmen, dafür wird man ja geschult, gell? - aber sein Lachen ging mit ihm spazieren.

Ich weiss nicht, ob Ihr das schon mal gesehen habt, wenn jemand herzlich Guter versucht ein Lachen zu verbergen?

Die Mundwinkel zuckten wie gegen seinen Willen zu den Ohren hin, die Augenbrauen hoben sich in der Mitte in die Höhe, als wollten die Augen darunter weinen; das ergab einen völlig konträren Ausdruck. Und in dem Lächeln, was sich trotzdem äußerte, steckte eine ungeheure Zärtlichkeit.
"Also, man Ihnen heimlich eine Niere entfernt? Durch die Leiste?"
"Gewiss!" bestätigte Mutter ernsthaft. "Hier steht es doch!" Eifrig tippte sie mit dem Finger auf die Zeile, in der "Mögliche Niereninsuffizienz, hervorgerufen durch Kontrastmittel in Reaktion auf nicht abgesetzte Diabetesmittel Sowieso " stand. "Haben Sie irgendwas gegen die Entfernung der Niere unternommen? Ich meine, irgendwelche rechtlichen Schritte?"- Nö," sagte Mutter. "Was weg ist ist weg."
"Das war sehr klug von Ihnen!" Der Arzt verabschiedete sich überstürzt von ihr, eilte in den Flur, ich hinterher, denn ich wollte ihn zur Haustür begleiten, und sah noch, dass er sich heftig schneuzen musste. An der Haustür waren seine Augen fast wieder normal, lachten aber immer noch.

"Ich weiss nicht, ob ich Ihrer Mutter die erste Pflegestufe geben kann, sie kann körperlich einfach immer noch viel zu viel. Das muss ich ausrechnen. Gleichzeitig ist sie ja, was ihre Wahrnehmung betrifft, ziemlich durch den Wind. Heimlich eine Niere entnommen! Durch die Leiste! Haaaa!"
" Na, dann rechnen Sie mal. Aber rechnen Sie für uns gut," sagte ich.

Das hat er dann auch gemacht. Mutter bekam vor 4 Jahren ihre erste Pflegestufe und die wird im Dezember dieses Jahres wieder nachgeprüft. Auf der einen Seite sorge ich mich kaum, weil sie wirklich stark abgebaut hat, auf der anderen Seite hoffe ich, dass sie ihren lügenden Charm bis zur Prüfung bewahren wird. Je nachdem auf welchen Prüfer man trifft, kann es nämlich sein, dass die enger greifen und sagen: " Oh, die kann sich ja noch alleine anziehen! Es dauert zwar zwei Stunden, aber dann hat sie es ja geschafft!"


Ich kann inzwischen gut unterscheiden, wann es bei Mutter Show, und wann es wirklich ernst ist.
Ihr Ton ist dann ganz anders.
Vor drei Jahren ist sie unter einem anderen Pflegedienst WIRKLICH gestürzt. Die sagten mir dann, sie hätten alles getan, hätten sie untersucht, den Hausarzt kommen lassen, es sei nichts.Der damalige Hausarzt bestätigte das.

Aber Mutters Ton ist dann wirklich SO anders, wenn es wirklich heftig wird. Da ist kein Getue mehr drin, keine Show, da ist ein Mensch, der wirklich leidet!

Mutter war bei dem Versuch, ihre kostbaren Pelzmäntel im Obergeschoss zu besichtigen, auf der Treppe ausgeglitten, war Stufe für Stufe auf dem Hintern heruntergepoltert, und hatte sich das Schambein und das Darmbein gebrochen.

Pflegedienst und Hausarzt hatten das - ohne weitere Prüfung - als nicht weiter als gefährlich eingestuft, es wurde auch nicht geröngt. Die arme Frau lag also wirklich anderthalb Tage mit diesen Brüchen herum.

Aber sobald ich einen gewissen Schmerzterminus bei meiner Mutter wahrnehme, der eben nicht unterdrückend ist, sondern ihre Töne leise sind, verhalten, anstatt fordernd, dann weiss ich: hier stimmt etwas Grundsätzliches nicht! - Da muss ich hin!
Sofern meine Mutter nicht laut fordernd irgendeinen lauten Murks erzählt, sondern immer leiser und stiller wird, DANN gibt es wirklich ein Problem.

Also, kenne ich sie doch ganz gut.

Alles Liebe,
Mia
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Re: Pilze, Ansiedlung Riesenbovist

Beitrag von Cerifera » Mo Sep 27, 2010 04:23

Kannst Du Deiner Mutter nicht irgendeine Beschäftigung verschaffen? Kann sie noch stricken, schreiben oder etwas anderes? Vielleicht Kreuzworträtsel oder etwas basteln als Herbstdekoration? Aber wahrscheinlich ist es wie bei meiner Schwiegermutter die konnte auch gar nix mehr machen, nicht mehr lang sitzen, nicht mehr richtig den Stift halten usw.
Da gibts dann ja wirklich nur noch den Fernseher aber wir wissen ja alle, dass da nicht immer das kommt was man gerne sehen möchte...

Aber ich glaube ich muss das Thema mal teilen ;-)

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Carolyn » Di Sep 28, 2010 12:03

Ein Schambeinbruch ist tatsächlich nicht gefährlich und man kann auch nicht viel tun, aber er ist ausgesprochen schmerzhaft!

Deine Mutter hat keine Aufgabe. Eine ziemlich ketzterische Idee: Hätte sie nicht so viel Unterstützung durch Pflegedienst und Dich und alle möglichen Leute, müßte sie sich selbst um mehr kümmern und hätte wirklich was zu tun - und Grund zum Jammern und Schimpfen, weil ihr niemand hilft. *g*
Ich weiß, wie es meiner Mutter ging, als sie immer weniger tun konnte, ihr wurden schlichtweg die Tage zu lang. Sie war nicht der Fernseh-Typ, sie hat gelesen, aber irgendwann hat man das halt auch über. Also habe ich ihr durchaus auch bewußt NICHT alles abgenommen, damit sie sich nicht so nutzlos vorkommt, sie, die doch immer alles für andere erledigt hat und die Helfende, nicht die Hilfsbedürftige war. :???:

Hm, Beschäftigung: Würde es Deiner Mutter gefallen, ein Buch über ihr Leben zu schreiben? Wie schwer sie es doch immer gehabt hat usw.? :wink: Was dabei rauskommt ist ja nicht wichtig...

Was die neue Beurteilung der Pflegestufe betrifft: Die Leute sind normalerweise "Schauspieler" durchaus gewohnt und können das einigermaßen beurteilen. :wink:
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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Mia » Mi Sep 29, 2010 00:11

Hi, Ihr Lieben, :smile:

ich war gerade zweieinhalb Tage richtig krank - auch schon als ich fiebernd den letzten Beitrag hier verfasste - und hatte gar nicht mitbekommen, dass hier jemand geantwortet hat. Ich dachte, ich hätte den größten Mist meines Lebens geschrieben und traute mich gar nicht, diesen Thread anzuklicken, weil ich mich nicht mehr recht erinnern konnte, was ich hier überhaupt hinterlassen hatte.

Aber, nachdem ich mich heute abend doch traute: Siehe, es war alles in Ordnung!
Sogar liebe Cerifera und liebe Carolyn hatten geschrieben!

Liebe Ceri, :smile:

generell halte ich viel davon, Threads aufzuspalten, die auf ganz verschiedenen Ebenen ablaufen.
Wenn Du aber diesen teilen willst , müsstest Du ihn wohl mindestens 4 -teilen, und ich weiss nicht, ob das noch Sinn macht. Ich weiss nicht, ob einer an den vier "Ausgängen" jetzt noch weiterschreiben würde.
Lass ihn uns lieber abschließen mit meinem Fund zweier Riesenboviste auf einem Fussballplatz in der Nähe meiner Mutter am letzten Samstag. Sie waren noch nicht groß genug, sie zu ernten, einen Fotoapparat hat ich auch nicht dabei,
ebensowenig eine Schippe, um sie auszumachen und sie umzupflanzen.
Aber nächsten Samstag werde ich beides mitnehmen, dann bekommt der Thread ein würdiges Ende.
Vielleicht kannst Du den Titel dann umändern in... tja, in was denn?
"Anzucht Riesenbovist, Gott finden in den Pflanzen, im Leben, Homöopathie, Mutterprobleme deutsch, Familiensicht und Weltsicht deutsch-türkisch, Märchen...


Ach Schande, es ist ja schon geteilt! Wie ich die Überschrift lese!
Ich schreib ja gerade ganz woanders!
Hilfe!

Jetzt muss ich erstmal gucken gehen.
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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Cerifera » Mi Sep 29, 2010 00:22

Hier ist der Bovist Thread:
http://www.bio-gaertner.de/frm/viewtopic.php?f=1&t=3875

Mir gehts halt darum wenn einer neu hier reinkommt und all das hier lesen muss bis er das zum Bovist findet oder merkt das das dann gar nicht mehr dazugehört.... Das hatten wir schön öfter das Threads "ausarten" und sich die Leute dann beschweren, dass man die Antwort erst auf der dritten Seite nach Off Topic finden würde :-(

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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Mia » Mi Sep 29, 2010 01:05

Irgendwie verstehe ich es grad nichts mehr, aber ist auch wurscht.

Liebe Cerifera, liebe Carolyn, :smile:

nein, meine Mutter kann nicht mehr stricken, nähen, schreiben, lesen, sie kann sich selbst nicht mal mehr einen einfachen Kaffee kochen. Sie vertut sich zwischen den leckeren Instantkaffeesorten und echtem Bohnenkaffee, und tut dann Instantpulver in den Filter. Am besten gelingt ihr im Augenblick noch Teebeuteltee.
Einen Stift zum Schreiben kann sie kaum noch führen, einen Bankauszug kann sie nicht mehr entschlüsseln.
Der vorstellerische Geist in ihr will da deutlich mehr, als sie umgesetzt bekommt, dennoch: mit der Rede ist sie gut dabei.
Vom Reden her gelingen ihr mitunter durchaus noch scharfe Schlüsse, bisweilen auch vom Denken her, aber wenn man näher hinschaut, scheitert sie am Umgang mit täglichen Kleinigkeiten.

Sie ist ja zwischen den Diensten und Putzfrau/Gärtner ja auch immer wieder einige Stunden alleine, Carolyn, und genau das hält sie nicht durch. Je mehr man sie da allein lässt, um so weniger findet sie sich inzwischen zurecht.
Sie kann gerade immer noch mit einem Taxi ins Dorf fahren, da einkaufen, ihre Weinnummer auf dem Bürgersteig aufführen - das ist geübt - aber sie weiss hinterher nicht mehr, was sie eingekauft hat und wozu das Nutze ist.

Ich hab das, aus reinem Selbstschutz, anfangs einfach auch so gemacht, dass ich sie in Zeiten meiner Abwesenheit ganz viel selber tun ließ. Ganz viel IHR überließ.
Aber genau das funzt nicht mehr.

Lieben Gruß,
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Re: Gartengeflüster

Beitrag von Mia » Mi Sep 29, 2010 01:12

Hast schon gut geteilt, Ceri! :smile:

Ich werde dann meine Fotos in den ursprünglichen Thread einstellen!
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