Geschichten und Gedichte
Re: Geschichten und Gedichte
aus"DIE FÜNFTE JAHRESZEIT" von Kurt Tucholsky
Es gibt keine fünfte Jahreszeit?? - Doch, es gibt eine fünfte. - Hör zu:
Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheunen gebracht ist, wenn sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat - dann ist die fünfte Jahreszeit.
Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist - nun ist es vorüber. Nun sind da noch die Blätter und die Gräser und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht.
Mücken spielen im schwarz-goldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen...kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Boot, das flußabwärts gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben - es ruht.
So vier, so acht Tage -
Und dann geht etwas vor.
Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich garnichts geändert - und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft - es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt...,na...na..., und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: die Blätter, die Bäume, die Sträucher...aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnfäden schwimmen durch die Luft, der Bann ist gebrochen - nun geht es in einen klaren Herbst.
Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden - es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres.
Es ist optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.
Es ist die fünfte und die schönste Jahreszeit.
Es gibt keine fünfte Jahreszeit?? - Doch, es gibt eine fünfte. - Hör zu:
Wenn der Sommer vorbei ist und die Ernte in die Scheunen gebracht ist, wenn sich die Natur niederlegt, wie ein ganz altes Pferd, das sich im Stall hinlegt, wenn der späte Nachsommer im Verklingen ist und der frühe Herbst noch nicht angefangen hat - dann ist die fünfte Jahreszeit.
Nun ruht es. Die Natur hält den Atem an; an andern Tagen atmet sie unmerklich aus leise wogender Brust. Nun ist alles vorüber: geboren ist, gereift ist, gewachsen ist, gelaicht ist, geerntet ist - nun ist es vorüber. Nun sind da noch die Blätter und die Gräser und die Sträucher, aber im Augenblick dient das zu gar nichts; wenn überhaupt in der Natur ein Zweck verborgen ist: im Augenblick steht das Räderwerk still. Es ruht.
Mücken spielen im schwarz-goldenen Licht, im Licht sind wirklich schwarze Töne, tiefes Altgold liegt unter den Buchen, Pflaumenblau auf den Höhen...kein Blatt bewegt sich, es ist ganz still. Blank sind die Farben, der See liegt wie gemalt, es ist ganz still. Boot, das flußabwärts gleitet, Aufgespartes wird dahingegeben - es ruht.
So vier, so acht Tage -
Und dann geht etwas vor.
Eines Morgens riechst du den Herbst. Es ist noch nicht kalt; es ist nicht windig; es hat sich eigentlich garnichts geändert - und doch alles. Es geht wie ein Knack durch die Luft - es ist etwas geschehen; so lange hat sich der Kubus noch gehalten, er hat geschwankt...,na...na..., und nun ist er auf die andere Seite gefallen. Noch ist alles wie gestern: die Blätter, die Bäume, die Sträucher...aber nun ist alles anders. Das Licht ist hell, Spinnfäden schwimmen durch die Luft, der Bann ist gebrochen - nun geht es in einen klaren Herbst.
Wie viele hast du? Dies ist einer davon. Das Wunder hat vielleicht vier Tage gedauert oder fünf, und du hast gewünscht, es solle nie, nie aufhören. Es ist die Zeit, in der ältere Herren sehr sentimental werden - es ist nicht der Johannistrieb, es ist etwas andres.
Es ist optimistische Todesahnung, eine fröhliche Erkenntnis des Endes. Spätsommer, Frühherbst und das, was zwischen ihnen beiden liegt. Eine ganz kurze Spanne Zeit im Jahre.
Es ist die fünfte und die schönste Jahreszeit.
- Carolyn
- Bio-Genie
- Beiträge: 4734
- Registriert: Do Mai 07, 2009 17:28
- Antispam-Sicherheitsabfrage: 63
- Wohnort: jwd. in Oberbayern
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
So eine Zeit dazwischen gibt es auch am "anderen Ende" des Jahres, zwischen Winter und Frühling. Tulpen und Narzissen spitzen schon ein wenig aus der Erde, aber in den Ecken liegt noch Schnee. An warmen Stellen blühen schon Schneeglöckchen, aber es kann jederzeit nochmal schneien. Die Luft ist schon hell, wenn der Himmel klar ist, doch sobald er sich zuzieht, ist es bitterkalt und finster. Eine Zeit dazwischen, die Kraft des Winters ist gebrochen, doch der Frühling ist noch nicht erstarkt. Das Frühjahr kommt erst, noch ist es nicht da, auch wenn es naht, noch ist es erst eine zarte Hoffnung.
Die Morgendämmerung des neuen Sommerhalbjahres, als Gegenpart zur (von Kurt Tucholsky beschriebenen) Abenddämmerung.
Die Morgendämmerung des neuen Sommerhalbjahres, als Gegenpart zur (von Kurt Tucholsky beschriebenen) Abenddämmerung.
Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (Winston Churchill)
- Mama Heike
- Gartenguru
- Beiträge: 1243
- Registriert: So Okt 19, 2008 17:42
- Wohnort: Unterschönau in Südthüringen
- Geschlecht:
- Kontaktdaten:
Re: Geschichten und Gedichte
Fortsetzung vom kleinen Boot:
So schaukelt es ne ganze Weile,
sich auf der Welle sonnend, ohne Eile.
Schwarze Wolken drohend ziehen, verdunkelnd der Sonne Licht.
Es ist ihm bang, es will das nicht!
Zornig guckt es immer wieder, in den Abgrund tief hinab.
Es kämpft und rudert, hilflos gegen all die Macht.
Warum nur lockt der Horizont?
Warum zu fernen Orten?
War es denn so schlimm am Strand,
wo alles war bekannt?
So schaukelt es ne ganze Weile,
sich auf der Welle sonnend, ohne Eile.
Schwarze Wolken drohend ziehen, verdunkelnd der Sonne Licht.
Es ist ihm bang, es will das nicht!
Zornig guckt es immer wieder, in den Abgrund tief hinab.
Es kämpft und rudert, hilflos gegen all die Macht.
Warum nur lockt der Horizont?
Warum zu fernen Orten?
War es denn so schlimm am Strand,
wo alles war bekannt?
Lieben Gruß Heike
- Carolyn
- Bio-Genie
- Beiträge: 4734
- Registriert: Do Mai 07, 2009 17:28
- Antispam-Sicherheitsabfrage: 63
- Wohnort: jwd. in Oberbayern
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Das ist aber immer noch nicht das Ende, richtig, Mama Heike? Es fehlt das Happy End und "die Moral von der Geschicht' ".
Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (Winston Churchill)
- Mama Heike
- Gartenguru
- Beiträge: 1243
- Registriert: So Okt 19, 2008 17:42
- Wohnort: Unterschönau in Südthüringen
- Geschlecht:
- Kontaktdaten:
-
- Gartenplauscher
- Beiträge: 78
- Registriert: Do Mai 21, 2009 15:33
- Wohnort: NRW, Siegerland
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Hallo zusammen!
Als ich eben eure Geschichten und Gedichte gelesen habe viel mir ein Gedicht von Wilhelm Busch ein. Hoffentlich bekomme ich es noch zusammen.
Duldsam!
Des Morgens früh, sobald ich mir
Mein Pfeifchen angezündet,
Geh ich hinaus zur Hintertür
Die in den Garten mündet.
Besonders gern betracht ich dann
Die Rosen, die so niedlich,
Die Blattlaussitzt und saugt daran
So grün, so still, so friedlich.
Und doch wird sie, so still sie ist,
Der Grausamkeit zur Beute,
Die Schwebfliege Larve frisst
Sie auf bis auf die Häute.
Schlupfwespchen flink und klimperklein,
so sehr die Laus sich sträube,
sie legt doch ihr Ei hinein
Noch bei lebendigem Leibe.
Sie aber sorgt nicht nur mit Fleiss
Durch Eier für Vermehrung.
Sie bringt auch Junge Hundertweis
Als weitere Bescherung.
Sie nährt sich am jungen Schaft
Der Rosen, eh sie welken.
Ameisen kommen, ihr den Saft
Sanft streichelnd abzumelken.
So sehe ich in Betriebsamkeit
das hübsche Ungeziefer
Und rauche in dieser Zeit
Mein Pfeifchen tiefer und tiefer.
Das keine Ros ohne Dorn,
bringt mich nicht aus dem Häuschen.
Auch sag ich ohne Zorn
kein Röschen ohne Läuschen.
Gruß Muscosa
Als ich eben eure Geschichten und Gedichte gelesen habe viel mir ein Gedicht von Wilhelm Busch ein. Hoffentlich bekomme ich es noch zusammen.
Duldsam!
Des Morgens früh, sobald ich mir
Mein Pfeifchen angezündet,
Geh ich hinaus zur Hintertür
Die in den Garten mündet.
Besonders gern betracht ich dann
Die Rosen, die so niedlich,
Die Blattlaussitzt und saugt daran
So grün, so still, so friedlich.
Und doch wird sie, so still sie ist,
Der Grausamkeit zur Beute,
Die Schwebfliege Larve frisst
Sie auf bis auf die Häute.
Schlupfwespchen flink und klimperklein,
so sehr die Laus sich sträube,
sie legt doch ihr Ei hinein
Noch bei lebendigem Leibe.
Sie aber sorgt nicht nur mit Fleiss
Durch Eier für Vermehrung.
Sie bringt auch Junge Hundertweis
Als weitere Bescherung.
Sie nährt sich am jungen Schaft
Der Rosen, eh sie welken.
Ameisen kommen, ihr den Saft
Sanft streichelnd abzumelken.
So sehe ich in Betriebsamkeit
das hübsche Ungeziefer
Und rauche in dieser Zeit
Mein Pfeifchen tiefer und tiefer.
Das keine Ros ohne Dorn,
bringt mich nicht aus dem Häuschen.
Auch sag ich ohne Zorn
kein Röschen ohne Läuschen.
Gruß Muscosa
- Mama Heike
- Gartenguru
- Beiträge: 1243
- Registriert: So Okt 19, 2008 17:42
- Wohnort: Unterschönau in Südthüringen
- Geschlecht:
- Kontaktdaten:
- Carolyn
- Bio-Genie
- Beiträge: 4734
- Registriert: Do Mai 07, 2009 17:28
- Antispam-Sicherheitsabfrage: 63
- Wohnort: jwd. in Oberbayern
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Oh ja, und wahr obendrein!Mama Heike hat geschrieben:Das ist auch schön.
@Mama Heike: Also tippe ich mal auf selber geschrieben? Solche Texte, die schon fast zuviel über den eigenen jeweiligen Seelenzustand verraten, gibt es von mir auch. *g* Aber ich veröffentliche sie erst "im Nachhinein".
Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (Winston Churchill)
- Mama Heike
- Gartenguru
- Beiträge: 1243
- Registriert: So Okt 19, 2008 17:42
- Wohnort: Unterschönau in Südthüringen
- Geschlecht:
- Kontaktdaten:
Re: Geschichten und Gedichte
Ja, geht mir grad net so gut, aber wie heist es so schön, Wildpflanzen vergehen nicht.
Lieben Gruß Heike
- Carolyn
- Bio-Genie
- Beiträge: 4734
- Registriert: Do Mai 07, 2009 17:28
- Antispam-Sicherheitsabfrage: 63
- Wohnort: jwd. in Oberbayern
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Dann mal speziell für Dich etwas aus meiner eigenen Werkstatt, auch wenn es aus einem ganz anderen Anlass geschrieben wurde.
Alles zu seiner Zeit
Fest verschnürt
wartet der Schmerz
in der Tiefe meines Herzens.
Fest gebunden
liegt der Schrei
auf dem Grund meiner Seele.
Fest verpackt
verharren die Tränen
jenseits meines Bewusstsein.
Wenn die Kraft gesammelt,
wird der Schmerz befreit
und losgelassen auf das Sein.
Wenn die Ruhe gefunden,
bahnt der Schrei sich den Weg
und wird hinaus gesandt in die Welt.
Wenn die Zeit gekommen,
rinnen die Tränen
und mildern die Pein.
Erst dann heilt die Wunde,
erst dann kehrt die Stille zurück,
erst dann vergeht die Trauer
und ein neuer Morgen bricht an.
(c) by Carolyn, 2004
Alles zu seiner Zeit
Fest verschnürt
wartet der Schmerz
in der Tiefe meines Herzens.
Fest gebunden
liegt der Schrei
auf dem Grund meiner Seele.
Fest verpackt
verharren die Tränen
jenseits meines Bewusstsein.
Wenn die Kraft gesammelt,
wird der Schmerz befreit
und losgelassen auf das Sein.
Wenn die Ruhe gefunden,
bahnt der Schrei sich den Weg
und wird hinaus gesandt in die Welt.
Wenn die Zeit gekommen,
rinnen die Tränen
und mildern die Pein.
Erst dann heilt die Wunde,
erst dann kehrt die Stille zurück,
erst dann vergeht die Trauer
und ein neuer Morgen bricht an.
(c) by Carolyn, 2004
Die Kunst ist, einmal mehr aufzustehen, als man umgeworfen wird. (Winston Churchill)
- unermüdlich
- Gartenprofessor
- Beiträge: 412
- Registriert: Mi Jul 16, 2008 08:05
- Wohnort: NRW
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Der verwundete Baum
Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten,
Die Frevler-hast du viel dabei gelitten?
Ich selber habe sorglich dich verbunden
Und traue:Junger Baum,du wirst gesunden!
Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde
von schärferm Messer eine tiefre Wunde.
Zu untersuchen komm ich deine täglich,
Und meine fühl ich brennen unerträglich.
Du saugest gierig ein die Kraft der Erde,
Mir ist,als ob auch ich durchrieselt werde!
der frische Saft,quillt aus zerschnittner Rinde
Heilsam.Mir ist,als ob auch ichs empfinde!
Indem ich deine sich erfrischen fühle,
ist mir,als ob sich meine Wunde kühle!
Natur beginnt zu wirken und zu weben,
Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben!
Wie viele,so verwundet,welkten,starben!
Wir beide prahlen noch mit unsern Narben!
C.F.Meyer
Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten,
Die Frevler-hast du viel dabei gelitten?
Ich selber habe sorglich dich verbunden
Und traue:Junger Baum,du wirst gesunden!
Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde
von schärferm Messer eine tiefre Wunde.
Zu untersuchen komm ich deine täglich,
Und meine fühl ich brennen unerträglich.
Du saugest gierig ein die Kraft der Erde,
Mir ist,als ob auch ich durchrieselt werde!
der frische Saft,quillt aus zerschnittner Rinde
Heilsam.Mir ist,als ob auch ichs empfinde!
Indem ich deine sich erfrischen fühle,
ist mir,als ob sich meine Wunde kühle!
Natur beginnt zu wirken und zu weben,
Ich traue: Beiden geht es nicht ans Leben!
Wie viele,so verwundet,welkten,starben!
Wir beide prahlen noch mit unsern Narben!
C.F.Meyer
Das Leben ist wie eine Hühnerleiter,besch.......eiden von oben bis unten.
Sprichwort
Sprichwort
-
- Gartenplauscher
- Beiträge: 78
- Registriert: Do Mai 21, 2009 15:33
- Wohnort: NRW, Siegerland
- Geschlecht:
Re: Geschichten und Gedichte
Septembermorgen
Im Nebel ruht noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du: wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fließen.
Eduart Mörike
Gruß Muscosa
Im Nebel ruht noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du: wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fließen.
Eduart Mörike
Gruß Muscosa